„Sie haben keine neuen Nachrichten!“ Das ist wahrscheinlich die beste Nachricht von allen. Als wäre Ihr E-Mail-Programm stolz auf Sie, weil Sie gute Arbeit geleistet haben. Das Leeren Ihres Posteingangs kann sich fast therapeutisch anfühlen, genau wie das Entrümpeln Ihres Kleiderschranks oder der gründliche Frühjahrsputz zuhause. Aber genau wie im Haushalt ist dies eine Aufgabe ohne Ende. Schon bald wird das vertraute „Ping!“ Ihnen mitteilen, dass Ihr Posteingang wieder gefüllt ist.
Grund genug, die Sache endlich anzupacken und Ihre Benachrichtigungen nach dem Inbox-Zero-Prinzip in den Griff zu bekommen. Aber ist Inbox Zero wirklich nützlich oder eher schädlich? Zuerst sollten wir definieren, was dieses Schlagwort überhaupt bedeutet.
Was ist Inbox Zero?
Der Begriff „Inbox Zero“ wurde 2007 vom Produktivitätsexperten Merlin Mann in einem Google Tech Talk vorgestellt und 2014 in seinem Buch „Inbox Zero: Cutting Through the Crap to Do the Work That Matters“ genauer ausgeführt. Auf der Grundlage der „Getting Things Done“-Methode von David Allen lehrt uns Inbox Zero, E-Mails als ein Mittel zum Zweck zu betrachten, nicht als Endzweck an sich. Das Ziel ist, weniger Zeit in Ihrem E-Mail-Programm zu verbringen — indem Sie eingehende Nachrichten klassifizieren und entsprechend bearbeiten. Kurz: Inbox Zero ist im Grunde ein übersichtliches Ablagesystem.
Inbox Zero enthält fünf Grundregeln für die Verwaltung Ihrer E-Mails:
- Löschen: Sie entscheiden, ob die E-Mail für Sie von Wert ist. Wenn nicht, wird sie ganz einfach gelöscht. Wenn ja, wählen Sie eine der vier nächsten Optionen.
- Delegieren: Ist die E-Mail vielleicht für ein anderes Teammitglied relevanter als für Sie? Dann leiten Sie sie weiter.
- Antworten: Wenn Sie die E-Mail innerhalb von zwei Minuten beantworten können, tun Sie dies sofort.
- Zurückstellen: Manchmal brauchen Sie zum Bearbeiten einer E-Mail mehr als zwei Minuten. In diesem Fall sollten Sie die E-Mail erst später beantworten.
- Handeln: Haben Sie jetzt Zeit, die in der E-Mail beschriebene Aktion auszuführen? Dann tun Sie es.
Mann empfiehlt, das E-Mail-Programm nicht ständig offen zu haben, sondern drei Mal pro Tag aufzurufen, die E-Mails anhand der obigen Optionen durchzugehen und sich dann wieder der eigentlichen Arbeit zuzuwenden.
Sollte Inbox Zero unser Ziel sein?
Ja – und nein.
Einige Nutzer haben das Inbox-Zero-Konzept zu wörtlich genommen und einen leeren Posteingang zur Hauptsache gemacht. Dies führt oft einfach nur zum „Wegklicken“ – E-Mails werden konsequent aus dem Posteingang geräumt, aber nicht korrekt verarbeitet. Dadurch wird Inbox Zero für manche Nutzer sogar kontraproduktiv, weil das ständige Aufräumen Zeit kostet, die sie eigentlich in andere Aufgaben investieren sollten.
Mann hat betont, dass man die Inbox-Zero-Methode eher als Mentalität verstehen sollte. Er beschreibt es so: „Es geht darum, die Kontrolle über Ihre E-Mail, Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Leben zurückzugewinnen. Diese ,Null'? Sie besagt nicht, wie viele Nachrichten sich in Ihrem Posteingang befinden – sondern vielmehr, wie viel von Ihrem Kopf sich in diesem Posteingang befindet. Vor allem, wenn Sie das nicht wollen. Darum geht es.“
Wenn Sie die Inbox-Zero-Philosophie so umsetzen wie von Mann vorgesehen, kann sie Ihre Produktivität wirkungsvoll unterstützen.
Sind Benachrichtigungen schlecht für uns?
Mit Benachrichtigungen ist das so eine Sache. Einerseits können sie Freude und Erregung auslösen. Wie Trevor Haynes, ein Forscher an der Harvard Medical School, feststellt, haben positive Social-Media-Benachrichtigungen wie Likes oder Kommentare von Freunden „das Potenzial, ein positiver sozialer Stimulus und Dopamin-Booster zu sein“.
Dieses Verlangen nach einem regelmäßigen Dopaminschub kann jedoch schnell zur Abhängigkeit führen. Tatsächlich sind Apps darauf angelegt, süchtig zu machen und die Nutzung zu steigern, indem sie Push-Benachrichtigungen senden und „FOMO“ schüren. Der Computerwissenschaftler Tristan Harris vergleicht diese Obsession mit dem Glücksspiel und bezeichnet das Smartphone als „den einarmige Banditen in Ihrer Tasche“.
Benachrichtigungen können auch ein Produktivitätskiller sein. Laut Prof. Gloria Mark von der University of California, Irvine, braucht ein Mitarbeiter nach einer Unterbrechung „durchschnittlich 23 Minuten und 15 Sekunden“, bevor er wieder zur Arbeit zurückkehrt. Sie glauben vielleicht, Sie sehen sich nur schnell eine Slack-Nachrichten von der Kollegin an, aber die hat Ihnen vielleicht einen interessanten Link geschickt, der führt Sie zu einem spannenden Artikel usw. usw. Bevor Sie sich versehen, haben Sie eine ganze Stunde YouTube-Clips geschaut und den Start eines wichtigen Zoom-Meetings verpasst.
Und dann sind da noch die Benachrichtigungen, die eher Stress auslösen. Die gefürchtete Microsoft Teams-Nachricht vom Chef mit der Bitte um ein „kurzes Gespräch“. Die Desktopbenachrichtigung, dass neue eine E-Mail auf Sie wartet und Ihre To-do-Liste weiter wachsen lässt. Angesichts der schier endlosen Anforderungen an Ihre Aufmerksamkeit ist es kein Wunder, dass so viele Nutzer das Originalkonzept von Inbox Zero übernommen und angepasst haben, um ihre persönlichen Ängste zu bekämpfen. Silvia Killingsworth schrieb in The New Yorker, dass eine abgewandelte Version von Inbox Zero als „Mechanismus zur Bewältigung der Ängste dienen kann, die durch eine ständige Flut von E-Mails ausgelöst werden“.
Benachrichtigungen gehören zu unserem Alltag, daran wird sich nichts ändern. Und mit der Umstellung vom persönlichen Kontakt im Büro zum hybriden Arbeitsplatz müssen Beschäftigte noch mehr online präsent und erreichbar sein als vorher. Aber man kann lernen, Benachrichtigungen in den Griff zu bekommen.
Der richtige Umgang mit Benachrichtigungen
Mal ehrlich – wie viel Zeit verbringen Sie am Handy, wenn Sie eigentlich am PC sein sollten? Mit ständigen Benachrichtigungen auf zwei Bildschirmen verdoppelt sich praktisch die Menge an Ablenkungen.
Wir haben ein paar Tipps zusammengestellt, wie Sie Benachrichtigungen auf beiden Geräten managen und Ihre Produktivität bei der Arbeit steigern können:
Führen Sie ein App-Audit durch
Schauen Sie sich Ihr Smartphone und Ihren PC an und löschen Sie alle Apps, die Sie nicht brauchen. Seien Sie hart – Apps, die Ihnen wirklich fehlen, können Sie ganz einfach wieder installieren. Gehen Sie dann in die Einstellungen und passen Sie für jede verbleibende App die Benachrichtigungen an.
Deaktivieren Sie Benachrichtigungen
Ach je, schon wieder eine neue WhatsApp-Gruppe – Sie sollen die Geburtstagsparty einer Freundin mitorganisieren. Keine Panik! Sparen Sie sich das Heulen und Zähneknirschen und deaktivieren Sie stattdessen ganz einfach die Benachrichtigungen für diese Gruppe. Wenn auch am PC diverse Websites dauernd um Ihre Aufmerksamkeit buhlen, können Sie sogar alle Chrome-Benachrichtigungen deaktivieren.
Verwenden Sie den Bitte-Nicht-Stören-Modus
Vielleicht haben Sie Ihre täglichen Benachrichtigungen ziemlich gut unter Kontrolle, aber nun müssen Sie ein paar Stunden hochkonzentriert arbeiten, um eine Deadline zu schaffen. Hier kann der Bitte-Nicht-Stören-Modus helfen. Wenn Sie diesen Modus auf einem Mac verwenden, werden eingehende Benachrichtigungen nicht angezeigt, aber für später gespeichert. Windows 10 hat eine eigene Version dieses Modus, den Benachrichtigungsassistenten. Auf dem Smartphone können Sie auch den Flugmodus wählen, den höchsten Stromsparmodus einstellen oder notfalls das Handy ganz ausschalten.
Optimieren Sie Ihre Tools
Eine umfassende Arbeitsmanagement-Lösung verwaltet all Ihre Apps an einem Ort und hilft so, Benachrichtigungen auf ein Minimum zu reduzieren. Schließen Sie all die unnötigen offenen Programme und arbeiten Sie ganz ohne Ablenkungen auf einer einzigen Plattform.
Das Problem sind nicht die E-Mails und Benachrichtigungen an sich – sondern vielmehr Ihr Umgang damit. Wenn Sie Inbox Zero korrekt umsetzen und Ihre Benachrichtigungen effektiv anpassen, sind Sie auf dem richtigen Weg zu mehr Produktivität – und müssen hoffentlich nie wieder Angst vor dem nächsten „Ping!“ haben.
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